Keine Goldbarren auf dem Boden des Burgbrunnens
Wissenschaftler untersucht den Brunnen der Burg Eppstein, der vermutlich aus dem Jahr 1492 stammt
Von Susanne Schmidt-Lüer
EPPSTEIN. Zwei Feuerwehrautos stehen auf dem gepflasterten Weg, der zur inneren Anlage der Burg Eppstein hochführt. Rings um den Burgbrunnen ist ein Gerüst aufgebaut. Feuerwehrmann Wolfgang Opitz sitzt darauf und starrt gebannt in den tiefen dunklen Brunnenschacht. Irgendwo in dem 17 Meter tiefen Loch hängt sein Kollege Jochen Bauer, gesichert mit Karabinern und Seilen, gehalten von den speziell ausgebildeten Feuerwehrleuten der Sulzbacher Höhenrettung. Es ist feucht und warm in dem Schacht, von oben leuchtet schwach der bewölkte Himmel. Jochen Bauer ist ganz unten angekommen. Seine Füße stehen nicht im Wasser, weil der Grund des Brunnens verschüttet ist. Später wird Bauer den Boden federnd, nachgiebig beschreiben.
Das kleine, in Leder verpackte Kästchen, das für den Feuerwehrmann den Sauerstoff- und Schadstoffgehalt der Brunnenluft gemessen hat, ist als erstes wieder oben. Bauer hat zur Sicherheit ein Atemschutzgerät dabei. Jemand startet den Motor des Feuerwehrautos. Langsam setzt sich die Seilwinde in Bewegung, zieht Bauer Stückchen für Stückchen aus dem engen Schacht, bis er schließlich grinsend in seinem roten Arbeitsanzug am Brunnenrand auftaucht. Die Lampe an seinem Helm verstrahlt noch ein schwaches gelbes Licht. Nein, es liegen weder Goldbarren noch schwarze Koffer am Grund des Brunnens, antwortet Bauer witzelnden Reportern.
Der Grund des Brunnens, sagt Stadtarchivar Bertold Picard, liegt schätzungsweise in 25 Metern Tiefe und ist verschüttet. Das war nicht immer so. Vor zehn Jahren, erinnert sich Picard, "habe ich das Wasser noch gesehen". Jetzt empfiehlt Picard der Stadt Eppstein, herauszufinden, was es kostet, den Brunnen wieder bis zum Grund freizulegen. Picard, der sich selbst an Seilen in die Tiefe gleiten ließ, sagt, der Brunnen sei in keinem schlechten Zustand. Bis in etwa 6,50 Meter Tiefe reicht die Ringmauer der inneren Burganlage, die zugleich auch als Brunnenwand fungiert. An einer Seite ist der Brunnen vermutlich bis zu seinem in 25 Metern Tiefe liegenden Grund weiter gemauert, an den übrigen Seiten begrenzen sorgfältig ausgemeißelte Felswände den Spender des kühlen Nasses. Picard geht davon aus, dass die Burganlage nur in Kriegszeiten ausschließlich von diesem Brunnen versorgt wurde. Im Mainzer Keller liege noch ein zweiter Brunnen, dessen Standort aber noch nicht gefunden sei.
In Friedenszeiten trugen Esel zusätzlich Wasser in Fässern aus den Dorfbrunnen für die 40 Menschen herauf, die auf der Burg lebten. Neben den Herren von Eppstein, die im 16. Jahrhundert ausstarben, lebte der Hofstaat zusammen mit Gesinde und ein paar Kriegsknechten auf der Burg.
Bisher ist bekannt, dass der Brunnen mindestens aus dem Jahr 1492 stammt, denn da wird er erstmals schriftlich erwähnt. Er könnte aber auch älter sein. Aufschluss kann darüber eine dehndrohchronologische Untersuchung des Institutes für Vor- und Frühgeschichte der Frankfurter Universität geben. Institutsmitarbeiter Thorsten Westphal verfolgte am Samstag aufmerksam die Untersuchungen des Brunnens. Das erhoffte hölzerne Material für die genauere Altersbestimmung des Brunnens konnte er allerdings noch nicht zur Untersuchung mitnehmen. "Wir fanden zwar einen Holzbalken in fünf Metern Tiefe, aber der war so verrottet, dass man keine Zeitbestimmung machen kann", sagt Bertold Picard. Von den früheren Ausschachtungsarbeiten am Brunnen, die in einem Plan aus dem Jahr 1909 festgehalten sind, weiß Picard, dass es in 24 Metern Tiefe noch einen zweiten Holzbalken geben wird. "An den kommen wir noch nicht heran, weil der Brunnen verschüttet ist."
Die Untersuchungen am Samstag ergaben, dass das bereits fertiggestellte Modell des Brunnens nach dem Plan aus dem Jahr 1909 korrekt ist.
Der Sage nach, schreibt der Architekt Franz Burkhard in einer 1918 erschienen Denkschrift zur Burg Eppstein, soll der Ritter Eppo auf dem Burgfelsen einen Riesen erschlagen und die schöne Bertha von Bremthal aus seiner Gefangenschaft befreit haben. Urkundlich erwähnt wird die Burg Eppstein erstmals 1122. Bis ins 16. Jahrhundert hinein im Besitz der Herren von Eppstein, gehörte sie anschließend teils dem Kurfürsten von Mainz und teils dem Landgrafen von Hessen. 1929 gelangte sie schließlich als Geschenk der Familie zu Stolberg-Wernigerode in den Besitz der Stadt Eppstein. Von 1968 an wurde die Burg für vier Millionen Mark saniert, sagt Bürgermeister Richard Hofmann (CDU), der die Brunnenuntersuchung am Samstag mit verfolgte. 1804 war die Burg auf Abbruch versteigert worden und im Laufe von 20 Jahren abgerissen worden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts präsentierte sie sich als "Erdhaufen, der mit Bäumen bestanden war", sagt Richard Hofmann. Im neuen Burgmuseum, das zur Zeit eingerichtet wird, werden Rekonstruktionsmodelle Aufschluss über den Zustand der Burg in verschiedenen Jahrhunderten geben. Eines davon zeigt auch den engen, dem Felsen folgenden Brunnenschacht.
Mit Gasmaske und Funkgerät in die Tiefe
Untersuchung des 25-Meter-Brunnens der Burg Eppstein / Mauerwerk intakt / Alter bleibt unklar
vh. EPPSTEIN. "Höhenrettung Sulzbach" steht in neongelben Buchstaben auf dem roten Anzug des jungen Mannes. An zwei Seilen gesichert, mit Gasmaske, Funkgerät und Helmleuchte ausgestattet, baumelt er in seinem Sitzgurt und deutet mit dem Finger in die Richtung, in die es nun gehen soll: nach unten. "Rotes Seil weiter nachgeben, Matze!", erschallt ein Kommando, und langsam entzieht sich Jochen Bauer den Blicken seiner Feuerwehrkollegen sowie einiger Neugieriger und steigt in den mittelalterlichen Brunnen von Burg Eppstein hinab.
Dieses Szenario wiederholte sich am Samstag einige Male, denn Museumsleiter Bertold Picard hatte eine gründliche Untersuchung des 25 Meter tiefen Schachts angeordnet, in den 1909 das letzte Mal ein Mensch hinabgestiegen war. Zum Schluss wagte er sich selbst hinab, gemeinsam mit einem der Sulzbacher Höhenretter. "Nach unten habe ich lieber nicht gesehen", bekannte er. Aber die Feuerwehr habe so professionell gearbeitet, dass er keine Angst gespürt habe. "Und es hat sich gelohnt", lautete sein Fazit.
Zwar gab der 1492 erstmals urkundlich erwähnte Brunnen keinen Goldschatz preis, aber das hatte Picard ernsthaft auch nicht erwartet. "1909 hat der Konservator Franz Burkhard für die Fürsten von Stolberg, in deren Besitz die Burg damals war, den Schacht vollständig leer geräumt“, erzählte der Museumsleiter. Einige Funde von Burkhard wie Keramik- und Tonscherben seien im Museum ausgestellt. Besondere Ereignisse sind zudem schriftlich überliefert: „1593 ist ein Kind in den Brunnen gefallen und ertrunken; das musste der Henker, der damals auch für die Leichenbeseitigung zuständig war, wieder herausholen“, erzählte Picard. Etwa 50 Jahre später habe sich der Vorfall mit einem Kalb wiederholt.
Bei der Aktion am Samstag ging es vor allem darum, den Zustand des Brunnens zu überprüfen. Bis auf 17 Meter Tiefe konnten Bauer und seine zwei Kollegen von der Höhenrettung Sulzbach vordringen; danach war der Weg durch Schutt versperrt. Entgegen ersten Befürchtungen handelt es sich aber nicht um zusammengebrochenes Mauerwerk, sondern um eine torfartige Masse, die nach Picards Vermutung aus den Gegenständen entstanden sein könnte, die im Laufe der Jahrzehnte in den Brunnen geworfen wurden. "Das Mauerwerk, das auf einer Seite bis an den Grund des Brunnens reicht, ist noch gut erhalten“, sagte der Museumsleiter. Eine Entrümpelung habe daher keine Eile; die Stadt solle aber die Kosten einer Säuberung überprüfen.
Das weitere Ziel der Untersuchung am Samstag - einen zur Brunnenkonstruktion gehörenden Holzbalken zu bergen, um daran das Alter des Bauwerkes genauer bestimmen zu können, scheiterte allerdings: Der Balken hat sich über die Jahre hinweg fast vollständig aufgelöst, so dass sich Thorsten Westphal vom Seminar für Vor- und Frühgeschichte der Universität Frankfurt mit einem Holzstück aus einer Schießscharte des Burgturmes begnügen musste. Anhand von dessen Baumringen soll der Wissenschaftler nun das Mindestalter des Holzes ermitteln. Wie alt die Burg ist, weiß niemand, das erste Mal erwähnt wurde sie 1122; vermutlich stammt sie jedoch schon aus dem 10. Jahrhundert.
Die Männer der Höhenrettung Sulzbach freuten sich bei der Aktion vor allem über ein neues Übungsgebiet. „Das ist das erste Mal, das ich in einem Brunnen war", sagte Jochen Bauer. Er und zwei seiner Kollegen haben vor einem Jahr einen zweiwöchigen Lehrgang besucht, um sich als Höhenretter zu qualifizieren. Diese aus den neuen Bundesländern stammende Zusatzausbildung soll die freiwilligen Feuerwehrmänner vor allem für Einsätze auf Hochhäusern oder Kränen qualifizieren. 70 Übungsstunden am Seil müssen sie jährlich nachweisen. So stiegen die drei auch aus Eigeninteresse in den Eppsteiner Brunnen hinab. Kosten für die aufwendige Aktion stellten sie nicht in Rechnung, sie begnügten sich mit einer Spende des Museums der Burg Eppstein.
Acht Meter Tiefe sind unter Schutt verschwunden
Höhenretter
steigen in Brunnen
Von Jürgen Dehl
Eppstein. Stimmt der Plan, den Franz Burkhard 1909 zeichnete? Er stimmt nicht und Lokalhistoriker Dr. Bertold Picard hat nun wieder einmal etwas zum Grübeln. Burkhard hat offenbar die Himmelsrichtungen verwechselt. Die elf Höhenretter der Freiwilligen Sulzbacher Feuerwehr hingegen hatten eine spannende Aufgabe zu erklettern. Statt in die Höhe, ging es in die Tiefe - in den Burgbrunnen. Denn wo kann die Richtigkeit eines Planes überprüft werden? Einfach: Nur an Ort und Stelle. Weil das aber für einen Laien einfach nicht machbar ist, fragte Picard zunächst den Eppsteiner Wehrführer Ralf Großkopf um Rat. Großkopf verwies auf die Sulzbacher Spezialistentruppe (siehe Bericht auf dieser Seite). Jochen Bauer, Leiter der Höhenrettungsgruppe, fand das dies ein reizvoller Auftrag sei und so konnte das schwierige Unterfangen in Angriff genommen werden.
Weil man nun schon einmal in die Tiefe stieg, sollte gleich mehr erledigt werden. Beispielsweise sollten - so war das gedacht - die Wehrleute bei etwa 23 Metern Tiefe auf Holz stoßen. Laut Plan von 1909 müsste es ein einigermaßen intakter Balken sein. Ein Stück davon sollte ans Tageslicht gebracht werden. Damit wäre eine Zeitbestimmung – etwa durch ein dendronologisches Gutachten - möglich gewesen. Aber im ersten Anlauf wurde daraus nichts. Grund: Die Wehrleute konnten nicht so tief vordringen.
Als Erster ließ sich Jochen Bauer in den glatten, feuchten Brunnenschacht „fahren" - so heißt die äußerst unbequeme Tour bei Höhenrettern. Nach einigen glatten Metern wird die Röhre enger. So als hätten sich die Altvorderen mit einem überdimensionierten Korkenzieher in die Tiefe geschraubt. 25 Meter sollte die „Fahrt" gehen. Sie endete auf etwas „Weichem" nach rund 17,50 Metern. Bretter, Schutt und Geröll versperrten den weiteren Weg. Um an den Balken zu kommen, müsste eine „Kernbohrung“ gemacht werden, erklärte Jochen Bauer. Der Feuerwehrmann vermutet, dass der Brunnen gezielt zugeschüttet wurde. Dazu käme noch, was im Laufe der Jahrzehnte hineinfiel. Doch sicherheitshalber wurden einige Schaufeln des Schutts nach oben befördert.
Rund sieben Stunden waren die Höhenretter auf der Burg und in der Tiefe. „Wir nutzten das als Übung", sagte Jochen Bauer. Übrigens: Die Sulzbacher Höhenretter der Freiwilligen Feuerwehr sind zu jeder Schandtat bereit" und für Aktionen wie diese offen. Bauer: „Solche Einsätze sind für uns gute Übungsmöglichkeiten."
Drei Voraussetzungen sind wichtig
Eppstein / Sulzbach. Höhenretter bei der Feuerwehr - für Männer eine neue Aufgabe, die wahrscheinlich nicht für jeden in Frage kommt. Um ausgebildeter Höhenretter zu werden, müssen drei Mindestvoraussetzungen erfüllt werden. Neben der körperlichen Eignung wird als Dienstgrad „Feuerwehr-Truppführer" verlangt. Doch das reicht noch nicht aus. Abschließend wird der Bewerber auf seine Höhentauglichkeit hin untersucht und muss sich einer speziellen Untersuchung unterziehen. Seit drei Jahren gibt es bei der Freiwilligen Feuerwehr Sulzbach eine Höhenrettungsgruppe, bisher die erste und einzige im Kreis. 1997 besuchten Marc Finger und Robert Hofmann von der Sulzbacher Wehr die Landesfeuerwehr-Schule Sachsen-Anhalt in Heyrothsberge bei Magdeburg. Dazu mussten sie Urlaub nehmen und Verdienstausfall gab es auch nicht. Dafür übernahm Sulzbach die Lehrgangskosten von 2500 Mark pro Teilnehmer. Nach einem zweiwöchigen Intensivkurs kamen beide als ausgebildete Höhenretter zurück. Damit war der Grundstein gelegt, um eine mehrköpfige Truppe aufzubauen. Ein Jahr später ließen sich Jochen Bauer und Jürgen Kiefer in Heyrothsberge, der Ausbildungsstätte für Wehrleute in der damaligen DDR, zum Höhenretter ausbilden. Derzeit besteht die Höhenrettungsgruppe aus zwölf Personen.
Vier ausgebildete und acht eingewiesene Höhenretter. Etwa fünf Jahre dauert die Ausbildung, da auch alle Feuerwehr Grundlehrgänge geleistet werden müssen. Bisher wurde die Sulzbacher Wehr noch nicht zu einem derartigen Einsatz gerufen. Somit konnten die höhentauglichen Retter ihr Können auch noch nicht unter Beweis stellen. Dies könne sowieso nur im Rahmen des Feuerwehrdienstes gemäß den Unfall-Verhütungs-Vorschriften geschehen. Daher nutzen die Männer ohne Höhenangst jede Gelegenheit, ihre Fähigkeiten in schwindelnder Höhe oder gähnender Tiefe zu festigen. „Wir sind offen für jedes Übungsobjekt“, sagen Jochen Bauer und Robert Hofmann, die als erprobtes Duo das Höhenrettungsteam anführen. So seilte man sich schon in Schwalbach von 30 Meter hohen Kränen ab oder von der Beton-Leinwand im ehemaligen Autokino. Jüngster Auftritt der Sulzbacher war der Abstieg in den Brunnen der Burg Eppstein und demnächst soll der Turm als Übungsgelände dienen.
Jeden Donnerstag treffen sich die Höhenretter um 20 Uhr im Feuerwehrhaus. Interessenten können (0 6196) 7 14 98 anrufen. (gs)
Sie sind höhentauglich, topfit und im Kreis allein
Höhenretter
aus Sulzbach sind darauf trainiert, an allen Orten Menschen zu bergen / Übungsobjekte
fehlen
Von Kai Budde
dünnen Seil zu baumeln und zu arbeiten. Das ist unser Job. „Wir müssen in jeder Situation Leben retten können", sagt Robert Hofmann, Zugführer der Höhenretter der Freiwilligen Feuerwehr Sulzbach.
Hofmann ist seit drei Jahren als Höhenretter ausgebildet. Gemeinsam mit Kollege Marc Finger hat er 1997 die Landesfeuerwehr-Schule in Sachsen-Anhalt besucht und sich trainieren lassen. „Aus Eigeninteresse", wie er sagt. In der Schule hatte der Feuerwehrmann gelernt, wie er in einen Brunnen absteigt und sich von Wolkenkratzen abseilt, ohne sich in den Seilen zu verheddern oder hängen zu bleiben. Sitzen die Handgriffe, können die Retter rasch in Not geratene Menschen bergen; andererseits „garantiert das auch die eigene Sicherheit", sagt Marc Finger. Die Sulzbacher waren die ersten, die ein Team ausbilden ließen und sind bisher die einzige Wehr im Kreis mit Höhenrettungstrupp.
Weil ein Meister nicht einfach vom Himmel falle, flachst Jochen Bauer, „müssen wir immer wieder üben". Nach den Worten des 26-jährigen bedeutet das mindestens 72 Stunden Training im Jahr. Zu einem Einsatz musste die vier Mann starke Sulzbacher Truppe bislang nicht ausrücken. „Wir wollen aber auf jeden Fall gut vorbereitet sein", erzählt der Vierte im Bunde, Jürgen Kiefer.
Die Höhenretter haben sich dem Motto Übung macht den Meister verschrieben. Sie haben sich deshalb schon mal in Schwalbach von einem Kran abgeseilt, der 30 Meter in den Himmel ragte. Oder sie sind in dunkle Tiefen abgestiegen, wie in einen Brunnen auf der Burg Eppstein. In knapp 17 Metern Tiefe baumelte damals Jochen Bauer im dunklen Gewölbe, abgesichert mit Karabinern und Seilen, ausgestattet mit einer Atemschutzmaske und einer am Lampe am Helm. Die Feuerwehr hatte Holz aus der Tiefe geholt, um Wissenschaftlern zu helfen, das Alter des Brunnens zu bestimmen.
So ein Einsatz sei gar nicht so einfach. Rund fünf Kilo wiegt die Ausstattung mindestens. „Wichtig ist vor allem der Radeberger Haken, der vorne an der Brust hängt", sagt Bauer. Der Haken hilft beispielsweise, das Tempo beim Abseilen zu bestimmen. Weil er zudem ein Gewicht von bis zu zehn Tonnen aushält, kann der Höhenretter später den Geborgenen, den er mit einem zusätzlichen Seil absichert, am Haken fest machen - und beide können sicher nach oben gezogen werden.
Am Kran in Schwalbach konnten die Höhenretter diesen Ernstfall proben. Sonst seien Übungsobjekte rar. Marc Finger sagt: „Wollen wir mal an einem Hochhaus üben, stellen sich die Bewohner sofort quer.“ Schade, sagt er, die Feuerwehr wäre mit dem Objekt sonst besser vertraut und das könnte sich im Notfall auch für die Bewohner auszahlen.
Den Ernstfall will das Team dennoch vermehrt proben. Zugführer Hofmann plant, das Team auf acht Mann auszubauen. Schon jetzt gebe es viele Anwärter, die das Zeug zum Höhenretter hätten, sagt Hofmann: Sie sind höhentauglich, körperlich topfit und haben den Dienstgrad des "Feuerwehr-Truppführers"- und ein bisschen Geld für die Ausbildung hätten sie auch. Der zweiwöchige Lehrgang kostet rund 2500 Mark, den jeder aus der eigenen Tasche bezahlen muss. Weil man dafür Urlaub zu nehmen hat, gibt es für die Jungs keinen Verdienstausfall, so Finger: „Uns hat zum Glück die Gemeinde Sulzbach finanziell unterstützt." Eine Investition, die sich in seinen Augen lohnt.
Lohnen würden sich sicher auch weitere Übungsobjekte im Kreis. Solange es aber wenige davon gibt, seilen sich die Höhenretter notgedrungen von der Decke ihrer Feuerwache in Sulzbach ab - um auch zukünftig weiche Knie zu vermeiden.
Höhenrettungsgruppe am Clariant-Gebäude
Die Freiwillige Feuerwehr Sulzbach feiert am Samstag, 2. September, ihr 70-jähriges Bestehen. Sie veranstaltet deshalb ein kleines Fest im Feuerwehrhaus, Oberliederbacher Weg 15. Bevor es dort um 14:30 Uhr mit Musik, Grillwürsten und Getränken los geht, möchten die Feuerwehrmänner zeigen, wie ein Einsatz ablaufen könnte. Von 13:30 Uhr an zeigt die Höhenrettungsgruppe am Clariant-Gebäude, Am Unisys-Park 1, wie sie Menschen in schwindelerregender Höhen birgt.
Am Feuerwehrhaus geben die Frauen und Männer um 16:30 Uhr praktische Tipps, wie man beispielsweise eine Fettexplosion zuhause mit einem Feuerlöscher und einer Löschdecke in den Griff bekommt. Gegen 16 Uhr ehrt und verabschiedet der Verein langjährige Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, die 35 Sulzbacher am 9. Mai 1930 gegründet haben.
Feuerwehr versteht sich auch im Feiern
Sulzbach. "Wenn in der Küche Frittierfett brennt, dann dürfen sie auf keinen Fall versuchen, mit Wasser zu löschen", erklärte Gerhard Horlebein von der Freiwilligen Feuerwehr beim Tag der offenen Tür" anlässlich des 70. Geburtstages der Wehr. Dann zeigten die Feuerwehrleute bei ihrer Demonstration, was passiert, wenn Wasser auf brennendes Fett gegossen wird. Eine Riesenflamme stach meterhoch in den Himmel. "Ihre Küchenzeile oder gar die ganze Küche wäre zerstört", warnte Horlebein und riet, im Falle eines Falles zu versuchen, das Feuer mit einer Wolldecke zu ersticken.
Derart nützliche Tipps für den Alltag erhielten die Gäste bei der Festveranstaltung der Feuerwehr, die - so der Vorsitzende des Feuerwehrvereins, Gregor Beck - einerseits mit Demonstrationen und Vorführungen den Leistungsstand der Wehr zeigen und als Werbung in eigener Sache dienen, andererseits aber auch die zurückliegenden Jahre beleuchten sollte. Mit Feuerlöschvorführungen, in die die Besucher einbezogen wurden, und der großen Übung am Clariant-Gebäude unterstrich die heute 45 Aktive zählende von Willi Christian geführte Einsatzgruppe ihr hohes Ausbildungsniveau und ihre feuerwehrtechnische Schlagkraft.
Der Vereinsvorsitzende Gregor Beck erinnerte an den 9. Mai 1930, als 35 aktive Gründungsmitglieder trotz der schlechten Wirtschaftslage eingekleidet werden konnten und weitere 35 als passive Mitglieder gewonnen wurden. Beck hob die rasante Entwicklung hervor, verwies auf die hohe Technisierung, an die Ansprüche, die beispielsweise bei einem gefährlichen Chemikalien-Einsatz gestellt werden oder an die hoch entwickelten Brandschutzeinrichtungen in Kaufhäusern und Bürogebäuden. Beck bedankte sich bei der Gemeinde Sulzbach. Seitens der Gemeinde wird viel mehr getan als nur eine gesetzliche Pflichterfüllung.
Bürgermeister Herbert Uhrig begrüßte die Wehren aus Sulzbach-Saar, Sulzbach-Weinheim und Sulzbach am Main und stellte fest, dass die heimische Wehr einen hohen Ausbildungsstand hat, aber auch gezeigt habe, dass sie zu feiern versteht.
Freiwillige Feuerwehr Sulzbach übte im Clariant-Haus
Sulzbach. Als ideales Übungsobjekt für die Freiwillige Feuerwehr Sulzbach erwies sich das Clariant-Haus am Rande des Taunusstädtchens. Anlässlich ihres 70-jährigen Bestehens wollten die Blauröcke nicht nur Spielmannszüge aufspielen lassen und Bierfässer anzapfen, sondern auch ihre Schlagkräftigkeit unter Beweis stellen. In dem achtstöckigen Gebäude simulierten sie eine "gefährliche Brandsituation".
Schon am frühen Morgen hatte eine Nebelmaschine die erste Ebene der Tiefgarage in ein undurchdringliches Grauweiß gehüllt, am Nachmittag wurde es dann richtig ernst: Brand im Clariant-Haus, es befinden sich noch Personen im Gebäude - lautete die Meldung. Feuerwehreinsatzkräfte, Polizei und Rettungsdienst wurden alarmiert. Innerhalb weniger Minuten trafen elf Einsatzfahrzeuge am Übungsort ein. Vom Dach des Hauses seilten sich drei Feuerwehrmänner ab, zwei im fünften Stock eingeschlossene Personen wurden mit Hilfe einer Drehleiter in Sicherheit gebracht.
Parallel zu dieser Rettungsübung fand in der Tiefgarage eine Atemschutzübung statt. 14 Einsatzkräfte, ausgerüstet mit Atemschutzgeräten, hatten die Aufgabe drei Opfer zu bergen. Außerhalb der Garage standen für den Notfall weitere Einsatzkräfte bereit.
Auch wenn der richtige Notfall hoffentlich nie eintritt: Für die Mitarbeiter im Sulzbacher Clariant-Haus ist es schon ein gutes Gefühl, dass sich die Feuerwehr hier gut auskennt.
Zirkusnummer in luftiger Höhe zur Rettung von Menschenleben
Sulzbach.
Der große Stolz der Feuerwehr im Jahr des 70. Geburtstages ist die Höhenrettungsgruppe,
die einzige ihrer Art im Main-Taunus Kreis. Deshalb standen die Mitglieder
dieser Gruppe auch im Mittelpunkt der Übung, die gemeinsam mit den Feuerwehren
aus Sulzbach Saar, Sulzbach/Weinheim, Sulzbach am Main und Schwalbach durchgeführt
wurde. Dabei wurde ein Tiefgaragenbrand im Clariant-Gebäude am Unisyspark
simuliert, bei dem drei Verletzte mit Atemschutzausrüstung gerettet werden
mussten. Weil der Hauptausgang versperrt war, flüchteten laut Übungsplan zwölf
Personen in verschiedenen Stockwerken auf die Balkone. Sie wurden mit Schieb-
und Steckleitern, mit der Drehleiter der Nachbarwehr aus Schwalbach und von der
Höhenrettungstruppe aus ihrer misslichen Lage
befreit.
Bei strömendem Regen verfolgten etliche Zuschauer die spektakuläre Übung. 46 Feuerwehrleute waren mit acht Fahrzeugen im Einsatz. Der stellvertretende Gemeindebrandinspektor Frank Walz leitete die Übung, Gemeindebrandinspektor Willi Christian informierte das Publikum über das Mikrofon über die einzelnen Maßnahmen, die an dem achtgeschossigen Bürogebäude in Angriff genommen wurden.
Als die Wehrleute in die Tiefgarage kamen, wurden sie von riesigen Qualmwolken empfangen. Es war nicht einfach, die drei durch Puppen dargestellten Verletzten zu retten. Die Feuerwehrleute aus Sulzbach an der Saar drangen mit Schieb- und Steckleitern bis zum zweiten Stockwerk vor, während die Schwalbacher Experten mit der Drehleiter Personen aus dem fünften Stock retteten. Dazu Christian: „Wichtig ist, dass Feuerwehrleute während der Rettungsmaßnahme oben bei den Wartenden bleiben und diese betreuen, damit die nicht vor lauter Panik in den sicheren Tod springen."
Spektakulär war das Abseilen der Höhenrettungs-Spezialisten vom Dach des Clariant-Gebäudes über eine Länge von 80 Metern über die Seile, die vergleichbar mit denen einer Seilbahn mit dem Einsatzfahrzeug als "Talstation" verbunden waren. Zunächst seilten sich wegen des starken Regens Thomas Reich und Wolfgang Opitz alleine ab, dann brachte Robert Hoffmann seinen Kameraden Jens Böhler als „Opfer“ hinunter.
Jochen Bauer, Marc Finger und Robert Hoffmann haben die Höhenrettungs-Ausbildung schon hinter sich. Thomas Reich und Wolfgang Opitz absolvieren den zweiwöchigen Lehrgang im September in
Heyrothsberge in Sachsen Anhalt. „Das Land Hessen zahlt dazu keinen Verdienstausfall, weil die Höhenrettung noch nicht zur normalen Brandschutzausbildung zählt", so Christian. „Die Gemeinde Sulzbach sponsert zumindest aber ein Taschengeld für die Lehrgangsteilnehmer.“ Die Höhenrettung, die vergleichbar ist mit einer imposanten Zirkusnummer, wird in dem Geschichtsbuch der 70 Jahre alten Sulzbacher Wehr bestimmt immer ein besonderes Kapitel sein. (wm)
Wem dürfen die Sulzbacher Höhenretter aufs Dach steigen?
Eschborn. Wenn mutige Männer sich sichtbar von Hochhäusern abseilen, sind Schaulustige schnell zur Stelle. Auch wenn es sich nur um eine Rettungsübung handelt. So waren die Sulzbacher Höhenretter wieder einmal unterwegs und übten im Eschborn Gewerbegebiet Süd. Die Gelegenheit zu dieser Leistungsschau in luftiger Höhe boten die beiden Tage der offenen Türen des Autohauses Opel in der Frankfurter Straße. Auch wenn die Abseilaktionen für Außenstehende federleicht aussahen, so steckte doch viel Vorbereitungsarbeit dahinter, bis sich der erste Retter vom 13. Stock des Opel Hauses herunterseilen ließ.
„Sichern steht an erster Stelle", sagte Einsatzleiter Robert Hofmann von der Höhenrettungsgruppe Sulzbach, bevor er selbst an den Glasscheiben vorbei rund 45 Meter in die Tiefe schwebte. Derweil wurden oben auf dem Dach die Seile samt Sicherungshaken ständig aufs Sorgfältigste überprüft. Die ausgebildeten Höhenretter Wolfgang Opitz und Thomas Reich, sowie eingewiesene Helfer, standen mit den Helfern am Seil stets in Verbindung. Dazu trugen die Höhenretter eine Sprechgarnitur, sprich Funkgerät auf der Schulter, um die Hände frei zu haben.
Derzeit hat die Sulzbacher Feuerwehr fünf ausgebildete Höhenretter. Für eine einsatzfähige Truppe sollten es aber acht Mann sein", meinte Robert Hofmann. Um ständig im Training zu bleiben, suchen die Sulzbacher Höhenretter, bislang die einzigen im Main-Taunus-Kreis, noch geeignete Übungsstätten. Wer eine zur Verfügung stellen möchte, kann die Telefonnummer (0 6196) 7 37 87 anrufen. (gs)
Vierbeinige Retter in luftigen Höhen
Sulzbach. Aufregung rund um das Feuerwehrgerätehaus: "Mutti, schau, da hängt ein Hund in der Luft", ruft ein Kind. Tatsächlich. Schon von weitem konnten die herbeigeeilten Schaulustigen einen Vierbeiner am Seil erkennen, und das in rund 25 Metern Höhe. Aber „Kira" hing nicht alleine in den Seilen. Mit dabei war Petra Bamberg, die zusammen mit ihrem erfahrenen Flächensuchhund langsam zu Boden glitt. Was aussah wie eine akute Rettungsaktion, entpuppte sich bald als außergewöhnliche Übung.
Doch wie kommt ein Flächensuchhund, der ausgebildet wurde vermisste Personen im Wald aufzustöbern, in diese luftige Höhe? Ganz einfach: Die Rettungshundestaffel Frankfurt, die sich normalerweise auf dem ehemaligen Flughafengelände in Eschborn auf den Ernstfall vorbereitet, und die Höhenretter der Freiwilligen Feuerwehr Sulzbach hatten sich vor kurzem zu einer gemeinsamen Übung verabredet.
Kennen gelernt hatte man sich vor einem halben Jahr beim Tag der offenen Tür der Eschborner Wehr. Bei einer Vorführung der Hundestaffel sahen die Gäste aus Sulzbach sofort kleine Fehler beim Abseilen von Mensch und Tier. „Das entsprach nicht ganz den Unfallverhütungsvorschriften", stellte der Sulzbacher Höhenretter, Jochen Bauer, damals fest. Was lag näher, als die Frankfurter Hundeführer zu einem fachkundigen Abseil-Manöver in Sulzbach einzuladen. „Wir wollen denen ein paar Tipps geben und nützliche Tricks zeigen", erklärte Robert Hofmann von der Sulzbacher Höhenrettungstruppe.
Doch vor den praktischen Übungen wurden die Gäste erst mal theoretisch über den Aufbau eines Seiles unterrichtet. Basiswissen "Knotenkunde" stand auf dem Programm. Fallbeispiele, wie man den Gurt als Gerätschaft richtig einsetzt, wurden anhand von Folien ausgiebig besprochen. Eine Woche später rückte dann die Staffel Frankfurt mit acht Personen und den vier Rettungshunden an, um das Gelernte am Boden und in der Halle des Feuerwehrgerätehauses zu erproben.
Während die Hunde draußen in den Fahrzeugen warteten, wurden drinnen in allen Körperlagen dünne und dicke Seile verknotet und wieder gelöst - so lange, bis auch der letzte Handgriff saß. Mastwurf, Halbmastwurf, Achterknoten, mit einer Hand, im Liegen, hinter dem Rücken, so wie es halt in Notsituationen tatsächlich vorkommen kann. „Sichern steht bei uns an erster Stelle", betonte Jochen Bauer immer wieder. Anschließend folgten kleine Abseilaktionen von der Hallendecke - allerdings noch ohne Hunde. Die kamen erst dazu, als alle Teilnehmer mit dem Abseilen vertraut waren.
In Tragetaschen wurden die vierbeinigen Retter an Haken hochgezogen - mal mit, mal ohne Hundeführer. Ständige Leckerlis aus der Hand von Herrchen oder Frauchen halfen, den Tieren die Angst zu nehmen.
„Auf die Reaktion der Hunde waren wir besonders gespannt, wenn ihnen der Boden unter den Pfoten fehlt", sagte Wolfgang Opitz, der dritte Höhenretter der Sulzbacher Feuerwehr im Übungseinsatz. "Für uns war es eine wichtige Erfahrung zu erleben, wie sich der Schwerpunkt mit dem Tier vor, zwischen oder hinter den Füßen verändert", sagt der leitende Rettungshundeführer, Gerald Bamber.
Als die Gäste mit dem Ende der Veranstaltung rechneten, wurden sie von den Sulzbachern überrascht. Die hatten sich zum Abschluss etwas Besonderes ausgedacht und ließen die Schwalbacher Feuerwehr mit ihrer Drehleiter vorfahren. Jetzt hieß es: Mut beweisen und erstmals eine „Höhenrettung mit Hund" durchzustehen. Nach anfänglichem Zögern hatte dann doch jedes Mitglied der Hundestaffel den Mut, sich samt seinem Liebling bis zu 25 Metern in die Höhe hieven zu lassen. (gs)